Kirgisistan und Tadschikistan (2014)
Nun geht es los. Zum ersten Mal in meinem Leben fliege ich nach Asien. Los geht es ab Berlin-Tegel. Nach Berlin fahren wir mit der S-Bahn und das letzte Stück dann mit dem Fahrrad. Der große Radkarton ist so gefaltet, dass er auch noch unter den Packsack passt. Vor einem halben Jahr hätte ich das gar nicht für möglich gehalten. Aber es funktioniert. Am Flughafen schnell alles in die Kiste oder den Packsack gepackt und schon sind wir abflugbereit. Da Stefan und ich schon 3 Stunden vor dem Abflug in Tegel sind, wird jeder Stress vermieden. Ich fliege nun zum 2. Mal mit dem Rad, aber etwas aufregend ist es trotzdem. Kommt das Rad heile an? Und bleibt auch der dünne Packsack an einem Stück?
Tag 2, 4.6., 123 km
Die Antwort lautet ja. Es hat alles gut geklappt. Nur meine Luftpumpe ist aus dem Karton gefallen. Das ist etwas blöd, da man ja so ein Teil doch mal gebrauchen kann. Aber Stefan hat ja seine zum Glück noch. Nun geht es aber los. Vom Flughafen in Bishkek geht es erst mal flach in die Hauptstadt. Zeit zum einrollen und Zeit sich schon mal etwas mit der Umgebung vertraut zu machen. Es ist früh am Morgen und die Leute stehen am Straßenrand und warten darauf, mitgenommen zu werden. Das klappt auch meistens ziemlich schnell. Irgendwie sammelt hier jedes Auto Leute am Straßenrand ein. Nach wenigen Kilometern halten wir an einem kleinen Shop. Ein alter Mann dort spricht ein bisschen Deutsch. Das freut uns und ihn augenscheinlich auch. Der Verkehr in Bishkek selber ist sehr gewöhnungsbedürftig und anstrengend. Daher wird hier nur das Wichtigste erledigt und dann ab in Richtung Berge. Bei Redfox, einem kleinen Outdoorladen, bekomme ich Gaskartuschen aus China für meinen Kocher. Für den Oshbazar sind wir etwas früh dran. Im Aufbaugewüsel ist man mit den Rädern etwas störend. Ein paar Kilometer geht es dann noch die Hauptstraße Richtung Balyktschy entlang. Wie in jedem Reiseführer angedeutet, ist der Verkehr sehr nervig. Nach 60 km und einem tollen Mittagessen radeln wir über Nebenstraßen und ein paar Pisten durch die tolle Landschaft. Ab und an gibt es einen kurzen Smaltalk mit Einheimischen. So ein paar Brocken Englisch sprechen doch erstaunlich viele Leute. Eine Einladung zum Übernachten lehnen wir ab, weil wir noch ein paar km schaffen wollen. Und so finden wir einen geeigneten Zeltplatz an einem Feldrand.
Tag 3, 5.6., 112 km
Am morgen beim Abbauen des Zeltes kommen die Einheimischen vorbei, um ihre Felder zu bewirtschaften. Einer möchte gerne eine Flasche haben. Kein Problem. Ich schenke ihm die Limo und kaufe mir im nächsten Shop eine Neue. Eine Weile fahren wir noch die Nebenstraßen, bevor es dann quasi auf die neue Autobahn geht. Es bleibt entspannt und auch recht flach. Allerdings ist es schon recht warm, so dass mein Mitradler schon ein paar Pausen und kaltes Gebirgswasser zur Kühlung benötigt. Mal abgesehen von ein paar alkoholisierten Kirgisen, die etwas nerven können, sind die Begegnungen mit den Einheimischen sehr freundlich und leckeres Essen gibt es auch. Und so genieße ich hier einfach das Radfahren in wunderschöner Umgebung. Die letzten 25 km heute sind Baustellenpiste. Hier wird es nicht mehr lange dauern, und dann gibt es auch hier glatten Asphalt. Heute aber geht es auf Staubtrockener Piste Balyktschy entgegen. Ab und an kommt auch ein LKW vorbei, der die Piste wässert, damit es nicht so staubt. In der Ferne ziehen auch Gewitter auf. Für uns wird das kein Thema. In Balyktschy nehmen wir uns ein gutes Hotel. So haben wir ein bisschen Luxus und Internet. Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich am Abend etwas schwierig, aber wir finden dann doch noch was. Es gibt leckere Suppe und Schaschlik. Ansonsten ist der Ort aber eher keine Reise wert.
Tag 4, 6.6., 105 km
Es steht ein weiterer warmer Tag durch die Bergwelt an, ohne aber dabei einen Pass zu fahren. Auch Straßen präsentieren sich in einem ganz guten Zustand. Die Landschaft ist einmal mehr atemberaubend. Man kann es nur schwer in Worte fassen, aber die Strecke nach Kochkor ist wirklich zu empfehlen. Und gutes Essen gibt es unterwegs auch. Allerdings die Städte wirken hier trostlos und da bildet auch Kochkor keine Ausnahme. Am Abend erreichen wir noch einen kleinen Ort, wo wir lecker Abendessen können. Kurz danach suchen wir uns einen schönen Zeltplatz. Am Abend werden noch Rinder vorbei getrieben. Erst rasten sie kurz an unserem Zeltlager, werden dann aber doch in den Ort eskortiert.
Tag 5 7.6., 90 km
Die ersten Tage durch das Gebirge waren ohne große Anstiege zu bewerkstelligen. Nun aber stand der erste Pass an. Zunächst war die Straße noch gut ausgebaut. Nach ein paar km zeigte ein Schild, dass erst in den nächsten Jahren die Passstraße ausgebaut wird. Teilweise musste eine kleine Umleitung gefahren werden. Durch den einsetzenden Regen wurden die Straßen schnell schlammig. Ansonsten ist der Dolon Pass (3028 m) eher einer leichteren Sorte, denn so richtig steil wird es nicht. In der Abfahrt wurde der Regen immer stärker und der Verkehr nahm auch zu. An einer Stelle musste ein Kettenfahrzeug die LKWs durch den Schlamm ziehen, weil diese immer Stecken blieben. Die Landschaft war recht spektakulär. Stefan wollte im Regen nicht mehr weiterfahren. Da erwies es sich als richtiger Glücksfall, dass wir von 2 Dorfbewohnern nach Hause eingeladen wurden. Die Familie gab uns Tee, Brot und Ayran. Die Kommunikation war schwierig, aber mit Hilfe meines Urlaubsreisewörterbuches wurde ein paar Gedanken ausgetauscht. Ein paar Fotos später schien zum Glück wieder die Sonne und so machten wir uns weiter auf den Weg nach Naryn. Dabei gab es noch die eine oder andere Schlammstelle sowie Pistenabschnitte zu bewältigen. In Naryn fanden wir dann so eine Art Homestay, bei der wir eine ganze Wohnung in einem Mehrfamilienhaus für uns zur Verfügung hatten. Naryn selber ist sehr heruntergekommen. Am Abend scheiterte der Versuch, irgendwo Essen zu gehen. Es gab zwar ein paar Restaurants, die waren aber nur für geschlossene Gesellschaften. Wir trafen auch 2 Tschechen, den es genau so erging. Und so blieben einige km Fußmarsch eher nutzlos.
Tag 6, 8.6. 106 km
Zum Glück war das Wetter heute wieder besser und wir könnten komplett im trockenen durchradeln. Zudem war es recht flach und die Straßen von ordentlicher Qualität gepaart mit wenig Verkehr. Und so war es noch mal ein sehr entspannter Tag in schöner Landschaft. Das Tal westlich von Naryn ist sehr weit und recht monoton. Ab und zu kommt mal ein kleiner Ort, wo man sich verpflegen kann. Eine kleine Imbissbude sucht man hier am Straßenrand vergeblich. Klar, Transitverkehr gibt es nun nicht mehr. Am späten Nachmittag finden wir einen schönen versteckten Zeltplatz. Ich koche Nudeln mit Tomatensauce, fahre dann noch mal ein Stück zurück, um am Fluss, der recht sauber erschien, Wasser für Tee zu besorgen. Hatte doch glatt am Morgen den Wassersack nicht so gut gefüllt.
Tag 7, 9.6., 74 km
Nach dem es in der Nacht noch einiges an Regen gab, startete der Tag wieder mit schönem Sommerwetter. Ein paar km bis Baetov hatten wir noch asphaltierte Straße. Im Ort versuche ich mal herauszubekommen, ob die Straße nach Jalal-Abad über den Kaldamo Pass überhaupt offen ist. Wirklich sagen kann mir das niemand, obwohl einer der Taxifahrer noch versucht hat, jemanden anzurufen. Im Gegenzug werde ich gefragt, ob ich Nazi bin. Njet! So ganz ernst gemeint, schien die Frage ja nicht zu sein, aber was man mit Deutschland verbindet, wurde schon klar. Dann begann der gefürchtete Pistenabschnitt. Die nächsten 200 km sollten wir nur wenig Asphalt bekommen. Das Problem ist ja, dass man beim Begriff Piste nie weiß, was man bekommt. Hier war es jedenfalls erstmal so, dass sich km an km endlose Ruckelpiste auftaten. Es ging nur sehr mühsam voran, so dass man mitunter die spektakuläre Landschaft nicht immer genießen konnte. Stefan wäre am liebsten sofort in ein Taxi gestiegen, um den Abschnitt zu überspringen. Na zum Glück konnte ich ihn zum durchhalten ermuntern. Aber irgendwas lag in der Luft.
Tag 8, 10.6., 89 km (130 km)
Ein weiterer Sommertag in Kirgisistan bricht an. Nach ein paar km im ersten Ort, erklärt mir Stefan, dass er den Urlaub beenden will. Es zieht ihn offenbar zurück nach Hause. Ich stehe nun vor der Wahl, ebenfalls den Urlaub abzubrechen oder eben weiter zu radeln. Aber mein Entschluss steht schnell fest, dass ich unbedingt weitermachen will. Ist es doch alles viel zu schön hier. Aber erstmal radeln wir gemeinsam unseren 2.Pass (Akkyya Pass, 2932 m) hinauf. Zum Glück wird die Piste hier noch mal etwas besser und besonders steil ist es wieder nicht. Zudem wandelt sich Landschaft in der Region, es ist nun alles viel grüner. Pferdehorden weiden immer wieder im satten Grün. Mit ein paar Bergbewohnern haben wir kurze Begegnungen und machen ein paar Fotos. Auf der Abfahrt bekommen wir sogar noch mal Asphalt. Leider verliert Stefan seine Brille auf der Abfahrt. Ich beschließe nach Aufbau des Zeltes noch einmal zurück zu fahren, um die Brille zu suchen. Im Ende sind es so um die 20 km, die ich noch mal bergauf fahre. Es hat schon auch Spaß gemacht, mal ohne Gepäck hier durch die Berge zu turnen. Nur Erfolg habe ich keinen und so sinken eigentlich die Chancen auf Null, dass wir gemeinsam den ganzen Urlaub verbringen.
Tag 9, 11.6., 65 km
Der Tag beginnt schon früh sehr heiß. Mit Hilfe meiner Kamera meine ich den Pass schon sehen zu können. Die Aufgabe ist ziemlich groß. Und so war es dann auch nicht verwunderlich, als Stefan die erste Möglichkeit ergriff, um sein Fahrrad und Gepäck auf ein Auto zu schmeißen und die gemeinsame Tour damit beendete. Vorher übernahm ich noch ein paar Sachen, wie Medikamente und Werkzeug von ihm. Und dann war ich auf einmal ganz alleine. Am Anfang noch etwas nervös bekam ich dann meine Gefühle schnell in den Griff. Jetzt hieß es erst mal Arbeiten, denn der Kaldamo Pass ist wirklich erbarmungslos. Schlechte Piste mit steilen Anstiegen – das war die ultimative Herausforderung, der härteste Pass, den ich je geradelt bin. Nach 2 Stunden frage ich bei Bewohnern einer Jurte nach Tee. Zum ersten Mal komme ich in so ein Zelt. Es ist unglaublich, wie angenehm hier die Temperaturen sind, obwohl die Sonne den ganzen Tag auf das Zelt scheint. Mir wird auch wieder Brot gereicht und der Dialog beschränkt sich wieder nur auf ein paar wenige Worte. Ich bin sehr dankbar, aber mein Geld lehnen sie strikt ab. Vor mir liegen noch einige schwierige Kilometer. Es geht extrem steil bergauf. Zudem mischte sich irgendwann das ganze Schmelzwasser mit der Piste und machte die Aufgabe noch härter. Trotzdem beschließe ich, irgendwie heute noch über den Pass zu kommen. Ich treffe dann noch einen Schweizer Motorradfahrer. Wir tauschen uns ein bisschen über die Straßenverhältnisse aus. Am frühen Abend wird es schnell kalt, aber ich habe es geschafft und mache mich gleich auf den Weg nach unten. Weit komme ich nicht. Ich werde von Viehzüchtern heran gewunken. Am Anfang bin ich mir noch etwas unsicher, ob ich hier bleiben möchte, aber diese Menschen sind so nett, ich kann da nicht ablehnen. Sie geben mir eine dicke Jacke, wir machen viele Fotos und sie setzen mich auf ein Pferd. Diese Erfahrungen waren unglaublich. Als die Sonne schon fast untergegangen war, saßen wir alle auf einer großen Matte und aßen Instantnudeln mit Brot und Tee. Das Brot war nicht mehr ganz frisch und zum Teil auch schon etwas schimmlig. Ich hatte ein Stück was nur hart war. Auch wenn mal wieder die Verständigung das größte Problem war, hatten sie doch auch viel Spaß mit mir. Ich telefonierte mit dem Neffen von dem Chef. Er sprach Englisch. Es ging den Leute vor allem darum, dass sie an die Fotos kommen. Und da kam der Neffe ins Spiel. Er wohnt in Jalal-Abad und genau das, war das Ziel am morgigen Tag. Geschlafen wurde dann aber erst einmal unter freiem Himmel mit den anderen, die sich nicht nachts um die Schafe kümmern mussten. Eine verrückte Erfahrung war es schon und natürlich ein bisschen kalt. Aber alles über 0 Grad ist für mich noch allemal erträglich.
Noch eine Anmerkung zum Kaldamo Pass. Im Internet wird die Höhe auf diversen Seiten mit 3062 Metern angegeben. Ich denke nicht, dass er so hoch liegt. Auf der OSM-Karte liegt er bei etwas über 2900 m. Das entspricht auch eher meiner Höhenmessung. Übernachtet habe ich dann immerhin noch bei rund 2700 Metern.
Tag 10, 12.6., 100 km
Am morgen gibt es dann wieder die Nudeln und das Brot zum Frühstück. Und natürlich werden weiter wie verrückt Fotos gemacht. Jeder will hier mal auf einem schönen Foto in der malerischen Gebirgswelt sein. Ich muss natürlich hoch und heilig Versprechen, dass ich zu Kazim, den Neffen fahre und die Fotos abliefere. Und so mache ich mich dann früh auf den Weg nach unten. Es geht steil bergab und die Piste bleibt sehr anspruchsvoll. Auch die Hitze ist schnell wieder zurück. Ich treffe in einem Auto ein Deutsches Paar, die Chauffiert werden. Ihnen war wichtig, dass die Straße bald wieder besser wird. Den Zahn habe ich ihnen dann ziehen müssen und mein Mitleid hielt sehr in Grenzen. Nach 40 km hatten für mich die Strapazen ein Ende und ich hatte endlich wieder Asphalt unter den Füßen und einen Markt zum Fanta nachtanken. Apro pro Fanta. Dieses Getränk hat immer einen totalen Überdruck. Jede neue Fanta schäumt beim ersten Öffnen über. Oder man nimmt sich 5 Minuten Zeit, den Druck nach und nach abzulassen. Auf dem Weg nach Jalal-Abad komme ich dann noch an einem Streckenposten an einer hohen Schranke vorbei. Sofort werden mir Deutsche Vokabeln um die Ohren geknallt. Der ältere Mann, der hier offenbar von LKWs so eine Art Wegezoll abkassierte, wollte mir unbedingt damit zeigen, dass auch mal Deutsch gelernt hatte. Es war eine skurrile aber auch witzige Begegnung. Auf dem weiteren Weg kehrte ich erst nur zum Teetrinken ein und später dann auch endlich mal wieder in einem kleinen Restaurant. Dabei ist manchmal das Angebot viel kleiner, als es die bunten Bilder am Straßenrand vermuten ließen. Aber die leckere Suppe mit den Maultaschen war für mich zu diesem Zeitpunkt ein Festessen. Mal abgesehen von der unvorstellbar wilden Fahrweise einiger Kirgisischer Autofahrer war es ein entspanntes Radeln zum Etappenziel. Nun musste ich nur noch Kazim ausfindig machen. Vor Ort fragte ich einen jungen Mann, ob er mir helfen könne. Er sprach ein bisschen Englisch. Und von seinem Handy bekam ich Instruktionen, zum Restaurant von seiner Schwester zu fahren. Ich habe dann noch bestimmt ein Duzend Leute gefragt, bis ich es endlich gefunden hatte. Es lag sehr im Zentrum beim Bazar. Kazim wollte mich dann später dort abholen, also wurde ich natürlich erst einmal eingeladen und ausführlich zu meiner Reise und meiner Person befragt. Am späten Nachmittag ging es dann zu Kazim. Er hatte ein schönes Haus, eine Frau und 2 Kinder. Hier am Stadtrand ließ es sich auf jeden Fall gut wohnen. Zum Abendessen wurde reichlich aufgetischt und vor allem haben wir es auch ohne Computer hinbekommen, dass er die ganzen Fotos bekam. Kazim verdient seinen Lebensunterhalt damit, Wurst an die Läden im Ort zu verkaufen und auszuliefern. Das macht er mit seinem nicht mehr ganz so jungen Audi in einer Kühlbox. Am Abend fahre ich bei ihm in einer Runde mit. Er hat schon in so einigen Ländern gearbeitet und spricht daher einige Sprachen. Er träumt davon einen Kühltransporter aus Deutschland zu bekommen. Dafür arbeitet er hart. Urlaub kennt er nicht. So lerne ich Jalal-Abad bei Nacht kennen. Ein Tag ist hier aufregender als der andere.
Tag 11, 13.6., 108 km
Die Nacht war geprägt von großer Hitze in meinem Raum und dem Gebell vom Familienhund. Am morgen gibt es ein schon recht fleischhaltiges Frühstück. Auch so ein leckeres süßes Kompott ist dabei. Es ist aber auch eine der schmerzhaftesten Mahlzahlen, da meine aufgeplatzten Lippen unglaublich dabei brennen. Kazim läd mich zu einem längeren Aufenthalt ein, aber da ich ja noch viel vor habe und ein Monat schnell vorbei ist, bleibe ich erstmal ohne Ruhetag und gebe wieder Vollgas auf dem Weg nach Osch. Zum Abschied bekomme ich noch von der Familie einen Kirgisischen Filzhut geschenkt. Auf dem Weg nach Osh treffe ich einen Radler aus Berlin, der schon seit einem Jahr unterwegs ist. Auf der Straße M41 wird die Welt ganz klein. Die Hitze ist schon am frühen Vormittag auf mich ein. Gepaart mit ein paar heftigen Rampen und einiges an Verkehr ist es auch schon ein gutes Stück Arbeit. Vor Uzgen fahre ich dann mal 10 km über Nebenstrecken durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Es ist Teil das Ferghanatal, welches sich rund 300 km in die Länge zieht. Ich verlasse es recht schnell wieder und werde an einem Militärposten heran gewunken. Nanu, was ist denn da los? Ah, er will nur ein Foto machen. Kein Problem – da bin ich doch dabei. Schon am Nachmittag erreiche ich Osch, nach dem ich mir nur wenig Pausen gegönnt habe. Im Gästehaus treffe ich auch weitere Deutsche Radler, die tolle Geschichten aus Tadschikistan erzählen können. Ansonsten genieße ich die freien Stunden mit ganz viel Softeis und Schaschlik. Ab und zu gibt es einen Smaltalk mit Einheimischen.
Tag 12, 14.6., 95 km
Am morgen verabschiede ich mich noch von den anderen deutschen Radlern. Und dann geht es endlich wieder raus in die hohen Berge. Für mich ist das Wetter recht konstant in diesen Tagen. Sonne gibt es von früh bis spät und zentralasiatische Hitze ebenso. Das ist ganz nach meinem Geschmack. Da es aber auch viel Wasser unterwegs gibt, feuchte ich meine Klamotten immer wieder an. Auf der M41 rolle ich erst einmal Richtung Gulcha. Von Osch sind dabei die ersten 60 km nur sehr leicht ansteigend. Nach einem preiswerten Mittagessen, kehre ich am frühen Nachmittag noch zum Teetrinken ein. Als dann noch ein paar trinkfeste Kirgisen kommen, soll ich Wodka mit ihnen trinken. Einer von ihnen akzeptiert mein „njet“ nicht sofort. So wiederhole ich mich etwa 50 Mal, bis er dann doch von mir ablässt. Kurz darauf steht der Rest des Chyrchyk Passes an. Er lässt sich wirklich entspannt radeln. Richtig steil wird es nicht. Zudem ist er für mich der schönste Pass auf der gesamten Reise. Überall ist es grün und ganz viele Jurten lassen die Landschaft sehr lebendig wirken. Die Abfahrt geht dann über viele Kilometer durch phantastische Bergwelten mit einem tiefen Tal. Von ein paar jungen Männern mit einem Auto werde ich angesprochen. Auch hier haben wir das übliche Kommunikationsproblem. Eine Übersetzungsapp von ihrem Smartphone soll Abhilfe schaffen. Aber viele Wörter werden gar nicht oder falsch übersetzt. So wird das nichts. Sie laden mich dann noch zu sich ein. Dummerweise habe ich dann den Treffpunkt ein paar km weiter verpasst. Ein zurück gibt es für mich dann auch nicht mehr, denn in der Abfahrt ist es teilweise schon recht steil. Die nächsten Wegabschnitte plagt mich das schlechte Gewissen, aber das Leben geht weiter. Der Ort Gulcha selber liegt etwas abseits der Hauptstraße und so beschränke ich mich darauf, hier einfach nur am Straßenrand Entenschaschlik zu konsumieren. Spätestens ab Gulcha hat man dann ganz viele tolle Begegnungen mit Kindern, die immer wieder zur Straße rennen, wenigsten einmal die Hand geben wollen und auch für Fotos immer zu haben sind. Am Horizont zieht ein kleiner Schauer auf und da suche ich mir einen schönen versteckten Platz zum Zelten in der Bergwelt - traumhaft.
Tag 13, 15.6., 92 km
Dieses Mal schlafe ich sehr lange. Eigentlich zu lange. Da ich aber ohne Wecker operiere, kann so was natürlich passieren, wenn die Sonne im tiefen Tal einen langen Weg hat. In der Zeltumgebung befinden sich nun auch ein paar Kühe. Hätte mich ja auch mal jemand wecken können. Der Wettergott meint es zunächst sehr gut mit mir. Der Wind frischt zwar deutlich auf, kommt aber meistens von hinten. Neben der schönen Landschaft, sind auch heute wieder die begeisterten Kinder auf der Strecke, die den Tag nicht langweilig werden lassen. Ich verliere heute den Tennisball von meinem Fahrradständer. Vielleicht haben ihn auch Kinder als Souvenir eingesackt. Jedenfalls war es ab diesem Zeitpunkt deutlich schwieriger mein Fahrrad abzustellen. Mittags finde ich tatsächlich ein gutes Restaurant zum Einkehren. Viel los ist hier nicht. Das ist auch nicht verwunderlich, da unterwegs Anwohner eine Straßenblockade aufgebaut hatten. Das legt sehr weiträumig den gesamten Güterverkehr lahm. Und so hatte ich die relativ neu ausgebaute Straße fast für mich alleine. Im Restaurant ließ ich mir wegen der Verständigungsprobleme irgend etwas bringen. Es waren Nudeln, Gemüse und Fleisch - perfekt! Gut gestärkt machte ich mich wieder auf den Weg, doch das Wetter schlug jetzt recht schnell um. Der Wind nahm zu, Donnergrollen kam aus den Bergen. Das ging bestimmt eine Stunde so, aber irgendwie hatte ich Glück und konnte das drohende Unwetter abschütteln. Das war auch gut so, denn es gab ja mit dem Taldyk Pass noch richtig Arbeit für mich zu verrichten. Die sehr neue Straße half mir dabei natürlich, aber schwierigkeitsgrad war schon deutlich höher als gestern. Auf über 3000 Metern in der Höhe hatte ich zum ersten Mal spürbare Probleme. Es war alles noch anstrengender und ich mussten zusätzliche Pausen einlegen. Die letzten Kilometer musste ich zudem in den Wolken radeln. Es wurde jetzt schnell kalt. Der Weg vom Sommer in den Winter war hier nicht sonderlich weit. Oben am Pass konnte ich vielleicht noch 20 Meter weit schauen. Zum Glück war hier kaum Verkehr. Die Abfahrt beinhaltet dann einen weiteren Anstieg von über 100 Hm, was in der Höhe und bei dem Wetter mental als auch körperlich echt hart ist. Erst kurz vor Sary Tash entkam ich der Nebelsuppe. Vor mir lag das Tagesziel. Unterkünfte gibt es hier viele. Meine Wahl fiel auf das Gästehaus Eliza. Ein älterer Mann zeigt mir, wo ich mein Fahrrad unterstellen kann. Eigentlich sollte ich dort auch meine Taschen abstellen. Nachdem ich diese geputzt und gewaschen hatte, durfte ich sie mit auf mein Zimmer nehmen. Inzwischen hatte es begonnen zu regnen, so dass ich den Feierabend nicht in vollen Zügen genießen konnte, aber immerhin konnte ich mich noch zu einem Restauranbesuch aufraffen, nach dem ich mich schon im Bett gewärmt hatte. Hier habe ich dann auch meinen ersten Plov gegessen. Dazu ganz, ganz viel Tee und dann zurück in die kalte Stube mit dem warmen Bett.
Tag 14, 16.6., 99 km
Ein kalter Montagmorgen in Sary Tash. Der Regen hat aufgehört, aber zurück bleibt ein verschlammter Weg vor dem Gästehaus. Ich erkunde erst einmal den Ort zu Fuß. Laut meiner etwas in die Jahre gekommenen Straßen- und Ortsbeschreibung hätte es hier eine Wechselstube geben sollen. Ein Einheimischer kann mir den Pik Lehnin und einen Shop zeigen, eine Wechselstube gibt es aber wohl nicht. Im Nachhinein war es eine gute Sache, früh aufgestanden zu sein, denn den Pik Lehnin sollte ich später nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das ist schade, denn die Landschaft hier ist eigentlich so unbeschreiblich schön. Auch wenn viele Wolken heute das Erlebnis trüben, so bleibt doch festzuhalten, dass Sary Tash einer der vielleicht spannendsten Orte ist, an denen ich je war. Dieses weite Tal mit den hohen Bergen faszinieren mich auch noch ein Jahr nach meiner Reise. Im Shop deckte ich mich erst einmal mit reichlich Nahrung und zu Trinken ein. Ich habe alle 4 Fanta dort eingesackt. Die Verkäuferin hat sie extra für mich abgestaubt. Nach einem schönen Frühstück schaute ich noch bei einem anderen Shop vorbei. Am Ende war ich bepackt mit 8 Liter Limonade. Da auch der 10 Liter Wassersack halb voll war, kam verdursten im Pamir nicht mehr in Frage. Dann ging es los, das ganz große Abenteuer. Ich hatte keine Ahnung, wie mein Körper auf die extreme Höhe reagieren würde. Auch hatte ich zu den Temperaturen auf über 4000 Metern keine Informationen. Da es am Morgen schon sehr kalt war, hatte ich schon die lange Unterhose drunter gezogen. Aber so schlimm sollte es nicht werden. Das Wetter blieb stabil und sogar die Sonne kam ab und an heraus. Nur die hohen Berge waren leider Wolkenverhangen und damit unsichtbar. Zügig kam ich zum kirgisischen Grenzposten und die Abfertigung dauerte nur wenige Minuten. Die Straße wurde dann immer schlechter und wandelte sich in eine gefällige Piste. Spätestens jetzt war ich alleine mit den Murmeltieren. Nur noch ein paar Motorradfahrer überholten mich, waren aber auch wenig später behilflich, als es eine kleine Wasserstelle zu überqueren galt. Und so kämpfte ich mich zum Grenzpass hinauf. Bei über 4000 Höhenmetern war es eine ganz schöne Schinderei. Teilweise half nur noch schieben. Kurz hinter dem Kyzyl-Art-Pass (4250 m) erreichte ich den Tadschikischen Grenzposten. Hier konnte ich mein Kirgisisches Restgeld tauschen. Hatte ich mich oben noch auf die Abfahrt gefreut, wurde ich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die nächsten etwa 10 km müssen auf Wellblechpiste absolviert werden. Unterwegs traf ich noch Niederländer in einem Jeep. Die Landschaft war wirklich schön, nur konnte man es nicht recht genießen. Als ich dann wieder Asphalt unter meinen Füßen hatte, drohte neues Unheil. Ein Unwetter braute sich zusammen. Aber dank des grandiosen Rückenwindes kam ich bei der leicht ansteigenden Straße gut voran und konnte dem Regen entgehen. Als ich den Uy-Buloq Pass, welcher eigentlich hier nur ein Hügel ist, erreichte, hatte ich eine tolle Sicht auf den Karakul See. Die Straße geht hier teilweise über viele Kilometer kerzengerade und ist in wirklich gutem Zustand. Aber selbst von dort muss man noch 30 km bis zum Ort Karakul radeln. Allerdings geht es auch etwas bergab. Im Ort selber werde ich von einem Jungen auf dem Fahrrad abgefangen. Er bringt mich zu seiner Familie, die einen Homestay anbietet. Er befindet sich am anderen Ende von diesem kleinen Ort. Alle in der Familie sprechen Englisch und mit 10 Doller fürs Bett und 2 Mal Essen, ist es mehr als ein Schnäppchen. Bis zum Abendessen habe ich noch ein bisschen Zeit und so will ich den Sonnenuntergang am See genießen. Eine junge Frau spricht mich an. Leider war ihr Name so kompliziert, dass ich ihn wieder vergesse. Sie will einfach nur ein bisschen auf Englisch mit jemandem Reden und ist recht offen und natürlich auch neugierig. Sie träumt davon eines Tages mal nach Paris zu Reisen oder überhaupt die Welt kennen zu lernen. Es war eine besondere Begegnung. Dann ging es zum Abendessen. Dabei haben die Kinder im Nebenzimmer so geheizt, dass die ganzen Abgase auch durch den Essensraum ziehen. Ich bekomme dann Kopfschmerzen. Offenbar hätte ich in der Höhe darauf gut verzichten können, denn leider nehme ich sie mit ins Bett. Bekomme ich etwa Probleme mit der Höhenkrankheit?
Tag 15 17.6., 133 km
Sehr früh am morgen werfe ich einen Blick vor die Tür. Wieder ist es kalt, die Wolken hängen bedrohlich tief, aber immerhin sind die Kopfschmerzen weg. Die Familie schläft noch und so frühstücke ich süßes Zeug aus der Tasche. Um 7 Uhr bin ich startklar, denn mein Ziel ist es, irgendwie nach Murgab zu kommen. Der Weg ist weit und es geht hoch hinaus. Als ich starten will, flehen mich die Kinder an, doch noch das Frühstück zu Essen. Aber da rolle ich auch schon auf dem schönen Pamirasphalt gen Süden. Die ersten 20 km gehen kerzengerade aus und dazu schön flach. Das Wetter wird gleich besser und so kann ich mich auch einiger Klamotten entledigen. Am morgen kommen mir noch 2 oder 3 Fahrzeuge entgegen, dann bin ich über Stunden alleine. 20 km vor dem Ak-Baital-Pass ist dann Schluss mit lustig und die Arbeit beginnt auf einer ekligen Wellblechpiste. Unterwegs begegnen mir Engländer mit ihrem Wohnmobil und wollen wissen, ob ich etwas benötige? Nein, ich bin versorgt. Nach einem kurzen Talk bin ich wieder alleine. 7,5 km vor dem Pass beginnt es richtig steil zu werden. Im Gegenzug wird die Piste besser. Trotzdem ist es eine riesige Schinderei. Es wird dann zwar flacher, aber die Luft immer Sauerstoffärmer. Für das kurze Stück benötige ich fast 2 Stunden. Und dann gibt es dort noch nicht einmal ein Passschild. Zum Glück steht noch eins mit der Höhenangabe 2 km hinter dem Pass. Aber selbst das schießen von guten Fotos wird alleine zur Qual. Wer also hier oben einen Jubelsprung oder so etwas fotografieren möchte, benötigt noch eine Sauerstoffflasche. Immerhin für den Rest des Tages gab es Asphaltstraße. Von hier sind es bis nach Murgab noch 70 km. Aber ich sollte einmal mehr vom Glück geküsst werden, denn ich hatte brutalen, ja fast schon stürmischen Rückenwind. Auch hier konnte ich einen drohenden Regenschauer so abschütteln. Die Landschaft war einmal mehr Sagenumwoben. Ein Belgisches Paar mit Auto traf ich dann auch noch. Solche Gelegenheiten nutzte ich auch dazu, Fotos von mir machen zu lassen. Alleine ist das ja nicht immer so einfach. In Murgab angekommen treffe ich Marina mit ihren Kindern. Sie hilft mir, in einem Homestay unterzukommen, was bei ihr in der Nähe ist. Ich hätte auch bei ihr schlafen können, aber es sei schwierig wegen der vielen Kinder. Ich will dann erst mal zu einer Bank, aber da es anfängt zu regnen, nehme ich Marinas Einladen zu sich nach Hause an. Eigentlich lebt sie in Dushanbe, aber ihr Mann arbeitet in Murgab. Die Wohnung hat 2 Räume und eine Küche. Hier leben 3 Familien mit Kindern. Marina sagt, dass Leben hier sei sehr schwierig und Fernsehen gibt es nicht. Hier gibt es nicht einmal fließend Wasser. Neben Tee, Brot und Keksen wird mir dann auch noch Plov aufgetafelt. Sie entschuldigte sich, dass sie kein Fleisch anbieten konnte. Natürlich nimmt auch sie kein Geld an. Danach gehe ich hinüber zum Homestay, dort wartet man schon auf mich. Es gibt ja noch Abendessen. Mit der Zeit hatte ich mich etwas vertan, weil ja hier alles noch in Kirgisischer Zeit gerechnet wird. Beim Abendessen treffe ich einen Australier. Er ist Maler und lässt sich hier von der Bergwelt inspirieren.
Tag 16, 18.6., 91 km
Wieder bin ich früh auf den Beinen. Ich beschließe vor dem Frühstück, mich ein wenig in Murgab umzuschauen. Einige Menschen sind schon auf den Beinen. Und jeder hat etwas wichtiges zu tun – Wasser für zu Hause holen. Mit Kannen und Eimern ziehen sie zu den Pumpen, um das kühle Nass zu fördern. Mit dem Blick auf das einfache Leben hier, bin ich geradezu verzückt, dass ich zum Frühstück Eierkuchen mit Früchten bekomme. Mit dem Australier wird dann über das Leben hier und die Politik im Allgemeinen philosophiert. Zumindest so gut, wie es mein Englisch halt hergibt. So geht die Zeit am Morgen ins Land, ich tausche meine Doller gegen Samonai. Recht spät mache ich mich auf den Weg nach Alichur. Was soll schon passiert. Es sind ja nur 100 km. Besondere Berge sind nicht im Streckenprofil vorgesehen. Außerdem werde ich den ganzen Tag auf Asphalt radeln. So treffe ich dann erst noch einen Englischen Weltreiseradler und später 2 Radler aus Bayern. Wieder tausche ich mich über die Strecke aus da kommt der Wind ins Spiel. Sie hatten nämlich ganz viel davon – aber von hinten. Und so nahm dann das Elend seinen Lauf. Ein paar Kurven später hatte der Wind so stark zugenommen, dass hier die Fortbewegung in harte Arbeit ausartete. Auf einmal hatte ich gar nicht mehr so viel Zeit. Und Zeit zu sparen, in dem man radelt und gleichzeitig ist, war auf Grund der Höhe schlicht nicht möglich. Jede Anstrengung und sei es nur Essen benötigte Kraft und Sauerstoff. Der war halt hier oben rar. Zunächst ging es noch durch ein recht enges Tal den kleinen Pass (Hügel - Neizatash Pass, 4137 m) hinauf. Oben dann weitete sich die Landschaft. Es wurde extrem monoton. Ich stand voll im Wind. Selbst auf der leicht abfallenden Straße, ging es noch so mit 10 km/h voran. Vor allem mental ist das ein kleiner Spießrutenlauf. 10 km vor Alichur gibt es ein kleines Fischrestaurant. Ich fragte, ob es auch möglich wäre, hier zu übernachten. Das war kein Problem. Der Mann war dann nur etwas enttäuscht, weil ich keinen Fisch essen wollte, aber Suppe tat es auch. Das Haus hatte übrigens keine Fenster aus der Richtung, wo der Wind her kam. Da war dann je auch klar, was mich morgen erwarten würde. Strom hatten sie, dank einer Solaranlage. Eine Große chinesische Batterie sorgte dafür, dass es auch abends noch Licht gab.
Tag 17, 19.6., 93 km
Am morgen gab man mir die Möglichkeit, mich mit warmem Wasser zu waschen. Zum Frühstück gab es 3 gekochte Eier und Brot. Das war eine gute Stärkung, denn ich erwartete einen langen, schweren Tag auf dem voll bepackten Drahtesel. Und ich hatte keine Ahnung, wie weit ich es schaffen könnte. Gibt es wieder einen Homestay? Bisher bin ich ja in der großen Höhe ohne Zelten ausgekommen. In Alichur will ich meine Brausevorräte mal wieder auffrischen. Ein Junge führt mich zu einem Laden. Das Angebot dort beschränkt sich auf wenige Dinge, die ich aber nicht benötige. Hinter dem Ort wartete auf mich der erste Checkpoint. Ein paar hatte ich ja schon gesehen. Aber diese waren nicht mehr im Betrieb. Das Profil war heute schon wieder etwas welliger. Dazu kamen schwierige Pisten an den beiden zu meisternden Pässen. Seit gestern hatte ich auch viele Trucks auf der Strecke. Sie kommen aus China und fahren über Murgab weiter in Richtung Chorog und Dushanbe. So wird man hier ab und an ganz schön eingestaubt. Der Wind war natürlich auch heute wieder mein größter Fein, allerdings hatte er nicht mehr ganz die Kraft vom Vortag. Hinter dem Koi-Tezek Pass (4271 m) wartet noch eine steile und schwierige Abfahrt auf der Geröllpiste. Und dann liegt die Stein- und Sandwüste hinter mir. Zartes Grün fängt an das engere Tal zu dominieren. Dann kommt mir der Ungar Gabor entgegen. Er ist auch ein Weltreiseradler (er startete in Istanbul und war auf dem Weg Richtung Mongolei) und hat 10 Jahre in Deutschland gelebt. Warum nicht mal wieder mit jemandem einen Abend verbringen, der Deutsch spricht? Ich schlage ihm vor, gemeinsam ein Zeltlager zu errichten. Dafür ging es für mich ein Stück zurück. Wir hatten Wasser, grüne Landschaft, was will man mehr? Dann kamen noch Kinder vorbei und brachten Ayran ans Lager. Ich bot ihnen Tee, Waffeln oder Kekse an. Sie nahmen jedoch nichts an. Ich kochte mir dann noch Nudeln mit Tomatensauce und hatte einen gemütlichen Abend mit einem netten Gesprächspartner. Nachdem auch die letzten Tiere am Zeltlager vorbei getrieben wurden, ging es ins Bett. Der Höhe (etwa 3800m) angemessen war ich dick verpackt.
Tag 18, 20.6., 135 km
Die Nach im Zelt war recht frisch. Am Morgen hatten wir etwa 4 Grad. Während ich Ratz Fatz meine Sache gepackt und mein Frühstück gegessen hatte, ging Gabor den Tag deutlich gemütlicher an. So machte ich mich früh auf den Weg bergab. Es war für mich ein Radeltag zum genießen. Die Landschaft wurde immer grüner, der Fluss durch das Tal war zunächst schön blau und nur wenige kleine Gegenanstiege gab es zu bewältigen. 2 Amerikanische Radler treffe ich dann auch noch. Gabor hatte sie mir schon angekündigt. Unterwegs wird mir ab und an auch Tee angeboten. Nur einmal nehme ich die Einladung an. Bei der netten Familie gibt es auch wieder Brot und zum Abschied will mir der Mann noch eine Nachricht zukommen lassen. Er schreibt auf meinen Notizblock „2015“. Die Menschen sind hier toll. Es wäre sicher spannend gewesen noch mehr Einladungen anzunehmen, noch mehr Menschen kennen zu lernen. Aber ich habe mir dann in den Kopf gesetzt bis nach Chorog durchzukommen. Heute am Freitag sind auch erfreulich weniger LKWs auf der Strecke und so bin ich am Nachmittag kurz vor der Stadt. Am Checkpoint werde ich dann in den Raum gebeten. Der Polizist oder was auch immer, schaut in den Pass und brubbelt irgendetwas. Er gibt mir zu verstehen, dass es hier nicht weiter geht. Dann macht er die Tür zu und verlangt Geld. Ich weiß, dass ich es nicht tun sollte, aber ich geben ihm die 20 Taler. Ich will hier nicht meine Zeit verplempern, denn die ist hier wertvoll. In Chorog kämpfe ich mich den Berg hoch zu dem Homestay, den mir Gabor empfohlen hat. Naja, so ganz stimmt es nicht, denn direkt vor der Pamir Lodge gibt es noch das Laalmo Gästehaus. Dort bekomme ich eine saubere Toilette und Dusche. Zudem treffe ich andere Deutsche hier auch - 2 Wissenschaftler und ein Radlerpaar aus Füssen. Schon vorher hatte ich mich auf einen Ruhetag hier festgelegt. Der Ort dafür ist perfekt.
Tag 19, 21.6., 22 km
Das Frühstück im Garten ist ein Traum. Perfektes Wetter und Landschaft, dazu nette Speisen. Die beiden Radler brechen auf in Richtung Dushanbe. Wir werden zum Rückflug nach Istanbul wieder sehen. Heute begleite ich sie zum Afghanischen Basar an einem Grenzübergang in der Nähe der Stadt. Nur samstags kommen die Afghanen hierher und verkaufen ihre Waren. Viel ist es ja meistens nicht, aber mit einigen, die Englisch sprechen, komme ich in Kontakt. Von einem etwas wohlhabenden Mann werde ich zu Schaschlik und Tee eingeladen. Er ist interessiert, an dem was ich so mache. Andere Afghanen meinen zu mir, dass auch kein Problem sei, nach Afghanistan zu reisen, weil es jetzt sicher geworden ist. Mein Traum wäre es schon, eines Tages die Grenze zu überqueren und die Berge im Hindukusch zu erradeln. Am Nachmittag fahre ich zurück nach Chorog. Auch hier besuche ich den Basar. Hier gönne ich mir mal wieder Softeis und Tee. Später werde ich dann auch wieder eingeladen zu Melone, Tee und Essen. Eine Frau im mittleren Alter spricht gut Englisch und übersetzt für die anderen gleich mit. Vor allem will man wissen, warum ich keine Frau und Kinder habe. Eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Die Antwort kenne ich selber nicht. Und so verlebe ich einen schönen Tag in dieser Stadt. Am Abend kommt beim Homestay noch ein spanischer Radfahrer an. Er hatte sich durch das Bartang-Tal gekämpft und vernichtete einige Buchsen Bier. Inzwischen hat die Fußball-WM angefangen. Deutschland spielt in der Nacht gegen Ghana. Das ist mir zu spät. Viel Freude bereitet mir die Katze Isha von den Nachbarn.
Tag 20, 22.6., 50 km
Nach einem weiteren gemütlichen Frühstück gemeinsam mit den anderen Gästen setzte ich meine Reise durch den Pamir fort. Ich hatte mir jede Menge Zeitvorsprung erarbeitet, und so genoss ich bei bestem Wetter die Landschaft entlang Panj-Flusses. Dabei nahm die Qualität der Straßen nun deutlich ab. Nach ein paar Stunden treffe ich Cheromat. Er ist ein Deutschlehrer an der Universität von Chorog. Er würde ein paar Kilometer weiter mit seinem Freund angeln. Ich könne mich dazu gesellen. Auch eine Unterkunft bei Verwandten wird mir in Aussicht gestellt. Gesagt, getan. Und so sitze ich mit den beiden am Fluss mit Blick auf Afghanistan und sehe zu, wie sie einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser holen. Früher hatte Cheromat auch eine deutsche Angel. Die war sehr gut. Jetzt hat er eine Chinesische. Die bereitet ihm ab und an Probleme. Als Köder benutzen sie Maulbeeren. Die esse ich heute auch zum allerersten Mal in meinem Leben. Einzig störend ist die Tatsache, dass die beiden fleißig Wodka trinken. Aber es geht noch. Zwei Stunden später geht es weiter zur Familie, dort werde ich eingeladen. Erst gibt es den Fisch und später wird auch noch Plov aufgetafelt. Das war ganz schön viel. Cheromat war irgendwann kaum noch zu ertragen, weil er ziemlich betrunken war und doch etwas aufdringlich wurde. So war es für mich nicht schlimm, dass er am Abend wieder zurück nach Chorog musste. Ich blieb bei der Familie zurück. Da war ja noch Murat, der sich gut um mich kümmerte. Ein paar Brocken Deutsch konnte er auch noch aus der Schule. Zusammen mit meinem Russisch-Wörterbuch gingen wir viele Vokabeln durch. Dann machten mir die Frauen einen schönen Schlafplatz auf dem überdachten Taptschan.
Tag 21, 23.6., 70 km
Am Morgen gibt es ein kleines Frühstück mit Tee und Brot. Dann mache ich mich wieder auf den Weg. Das tiefe Tal ist noch in einen Schatten gehüllt. Ab heute sind wieder viele LKW auf der Strecke unterwegs. Oft kommen sie in Kolonnen, dann hat man für eine Weile seine Ruhe. Für ein paar Kilometer begleitet mich ein Einheimischer auf seinem alten Rad. Am nächsten Checkpoit kurz vor Rushan werden wieder ganz normal meine Daten in ein Buch eingetragen. Noch ist die Straße ganz Okay. Nach 28 km lerne ich wieder einen Deutschlehrer kennen. Er lädt mich zu sich ins nächste Dorf ein. Da kann ich schwer nein sagen. Und wieder bekomme ich von Leuten etwas, die selber nicht viel haben. Mir wird auch angeboten, hier zu übernachten, aber es ist gerade mal mittags und ich möchte schon noch etwas vorankommen. Der Grenzfluss hatte sich inzwischen zu einem See geweitet. Aber wenig später ändert sich alles. Das Tal wird enger, das Gefälle größer, der Fluss reißend und die Straße schlecht. Immer wieder gibt es kleine Gegensteigungen und so entschließe ich mich nach 70 km in Deh den Homestay in Anspruch zu nehmen. Der Ort ist sehr klein und hat nicht so viel zu bieten. Er liegt aber inmitten dieses tollen engen Tales. Mit Suppe, Brot und Eiern werde ich optimal versorgt. Dazu gibt es auf dem Hof neben Tieren auch einen Maulbeerbaum. Ich schlage mir ordentlich den Bauch voll. Ja, ich habe eine neue Lieblingsfrucht gefunden.
Tag 22, 24.6., 67 km
Ich habe in der Nacht einen unglaublichen Blähbauch. Immer wieder stelle ich mir vor, gleich zu platzen. So weit kommt es zum Glück nicht, aber viel Schlaf war nicht drin. Am Morgen geht es mir schon besser. Klar ist auch ein Übeltäter schnell ausgemacht. Ich beschließe, keine Maulbeeren mehr zu Essen, so lecker sie auch sein mögen. Auch am morgen ändert sich die Landschaft nicht. Ich habe sogar das Gefühl, dass das Tal noch enger wird. In einem Dorf bietet man mir ein paar Aprikosen an. Sie sind herrlich süß. Wenig später werde ich von einem jungen Mann wieder eingeladen. Auf der staubigen Piste geht es nur beschwerlich voran. Mitunter muss ich auf die LKWs warten, die wiederum müssen erst einmal den Gegenverkehr passieren lassen. Es ist wirklich sehr eng an manchen Stellen. Ich treffe dann noch ein paar andere Deutsche Radler. Der Frau geht es nicht so gut. Sie kämpft mit Durchfall. Ich gebe ein paar meiner Medikamente ab. Neben echt fiesen Rampen finde ich noch mal einen Baum mit leckeren Aprikosen. Außerdem versperrt mir einen Bienen- oder Wespenschwarm den Weg. Ich muss eine Weile warten, bis sie sich beruhigt haben und die Straße für mich passierbar wird. Direkt an der Hauptstraße finde ich heute irgendwie keinen Shop und so kommt Bergwasser zusammen mit aus Deutschland mitgebrachtem Sirup zum ersten Mal zum Einsatz. Abgekämpft frage ich Anwohner am Rande eines Dorfes nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Unweit der Straße kann ich mein Zelt aufbauen. Einem Jungen, kaufe ich einen kleinen Eimer frischer Aprikosen ab. Sie sind einfach zu lecker. Aber was macht man nun mit 1,5 Kilo Aprikosen? Ich mache mir eine Nudelsauce daraus. Nudeln mit Aprikosensauce hatte ich noch nicht gegessen, schmeckt aber sehr lecker. Am Abend kommt dann noch der Hausherr vorbei und will sich scherzhaft von mir bedienen lassen. Viel kann ich ja nicht anbieten, aber er ist mit einer Aprikose zufrieden. Ich erkläre ihm dann noch meine Ausrüstung und krauche dann müde in mein Zelt. Am Anfang brettern noch ein paar LKWs vorbei. Aber irgendwann ist auch damit Schluss.
Tag 23, 25.6., 70 km
Sehr früh am Morgen schreien ein paar Bauern die Landschaft wach. Ich hätte lieber noch etwas geschlafen. Aber so war ich sehr früh wieder auf der Piste. Und die bleibt weiterhin sehr schlecht. Es ist wellig und staubtrocken dazu - wie jeden Tag. Im engen Tal kann ich das Leben der Afghanischen Menschen auf der anderen Seite des Flusses beobachten. Schon früh machen sie sich auf den Weg, um viele Kilometer zum nächsten Ort zu überbrücken. Ein paar Motorräder fahren, Esel transportieren Dinge, aber die meisten Menschen müssen laufen. Zum Mittag finde ich ein gemütliches Restaurant an der Straße im Schatten. Bei Plov und Tee genieße ich den Moment. Ein paar Kilometer weiter gibt es Eis. Von vielen Jugendlichen werde ich umringt. Fast alle interessieren sich für mein Rad. Kurz vor Kalaikhum treffe ich ein deutsches Paar mit einem LKW-Wohnmobil. Sie wollen noch mal schnell nach Chorog fahren. Bei den Straßenverhältnissen kann ich es mir nicht vorstellen. In Kalaikhum versorge ich mich noch mal gut mit Essen und Trinken. Dann beginne ich schon mal mit dem Anstieg des letzten 3000er Passes auf meiner Reise. Die Straße ist jetzt viel besser und ich komme gut voran. Das campen ist dieses Mal etwas schwierig. Direkt am Fluss gäbe es vielleicht einen guten Platz, der ist mir aber zu laut. So entscheide ich mich für ein Stück weiter oben, 5 Meter neben der Straße. Ich räume ein paar große Steine beiseite, dann sollte es gehen. Wenig später setzt reger Verkehr vom Pass ein. Es kommen bestimmt 40 Autos in einer Stunde vom Berg, was mich verwundert, da hier die Stunden vorher gar nix los war. Zu guter letzt kommt noch ein Tandem mit 2 Franzosen hinunter. Es ist schon fast dunkel. Einen Platz zum Zelten kann ich ihnen nicht anbieten. So bleibt es bei einem kurzen Smaltalk.
Tag 24, 26.6., 58 km
Die Nacht war erwartet ruhig. Kein Auto das hier gestört hat. Ohne dass ich mich warm fahren konnte, geht es sofort heftig in den Berg hinein. Mitunter ist es ordentlich Steil. Allerdings ist die Piste hier sehr gut befahrbar. Unterwegs werde ich dann auch noch zu Tee und Melone eingeladen. Die Landschaft ist mitunter sehr schön bis spektakulär, aber auch schön grün. Nach vielen Stunden erreiche ich den Saghirdasht Pass (3252 m). Auf der Abfahrt frage ich nach einem Restaurant. Man zeigt mir ein Haus. Dort bei einer Großmutter bekomme ich tatsächlich etwas leckeres zu Essen. Ein Restaurant war es sicher nicht und daher schon etwas sonderbar. Aber es hat funktioniert. Hinunter wird die Piste dann immer schwieriger zu fahren. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was hier andere Radler erlebt haben, mit denen ich gesprochen habe. Sie mussten hier durch Schlamm schieben, der teilweise 50 cm tief war. Bei mir war Schlamm nun trocken und fest. Mit einer Planierraupe ebnete man nun die Straße wieder. Ansonsten gibt es heute den ganzen Tag fast kein Auto. So treffe ich einen Berliner Wanderer, der eigentlich irgendwo mitfahren wollte, aber es kam ja niemand. Wenig später hatte ich dann zum ersten Mal einen richtigen Fluss zu queren. Die Brückenreste konnte man noch sehen. Richtig viel Wasser führte der Fluss nicht, so dass die Hürde nicht so sehr groß war. Wenig später suche ich mir wieder einen Zeltplatz. Mit Verstecken war hier auch nicht viel und so besucht mich noch eine Gruppe junger Männer, als ich mich gerade rasiere. Einer von ihnen schenkt mir dann noch einen kleinen Spiegel. Ich zeigte ihnen noch meine Ausrüstung und dann zogen sie wieder weiter.
Tag 25, 27.6., 60 km
Der Tag beginnt erst mal mit einer kleinen Flussquerung. So auf 50 Metern hatte sich die Straße mit dem Wasserlauf vereint. Hierbei gingen meine Sandaletten kaputt. Ich konnte sie aber weiter nutzen. Gerade für die eine oder andere Flussquerung, waren sie einfach praktischer als Schuhe. Einmal mehr ging es durch spektakuläre Landschaft, die ich nach all den Tagen schon eher als gewöhnlich betrachtete. Vom Gefühl her war es auch einer der anspruchsvollsten Radeltage. Flach gab es nun gar nicht mehr. Es ging rauf und runter. Die Hitze war extrem. Unterwegs traf ich ein Tandem, was mir schon in Osh angekündigt wurde, und einen deutschen Motorradfahrer. Meine Mittagskekse teilte ich mir mit einem kleinen süßen Hund. Der war zum verlieben. Als ich am Nachmittag dann schon richtig abgekämpft war, gab es mal wieder eine Einladung in einem kleinen Dorf von jungen Männern. Gemeinsam wuchteten wir mein schweres Rad den steilen Hang zum Haus hinauf. Oben versorgte sie mich mit Tee, Brot, Ayran, Plov… Solche Begegnungen waren immer wieder spektakulär. Auch wenn man sich leider nicht so richtig unterhalten konnte. Hier war es auch das Problem, dass sie kein russisch sprachen. Zum Glück hat mein Wörterbuch auch ein paar Bilder. Das kann auch mal helfen. Nach der ausführlichen Pause wollte ich auch nicht mehr so weit radeln. Ich fand einen traumhaften Platz zum campen. Dann aber der Schock. Ich hatte den Wassersack nicht richtig zugeschraubt. Der Verschluss war verkantet und das ganze Wasser flutete meinen Packsack mit Isomatte und Schlafsack. Zum Glück hatte ich noch etwas Sonne und konnte die Sachen trocknen lassen. Inzwischen radelte ich ein Stück zurück und besorgte mir noch neues Wasser. Mit Kabelbinder reparierte ich dann noch meine Sandaletten und so hatte der Tag noch ein gutes Ende genommen.
Tag 26, 28.6. 80 km
Nach ein paar Kilometern habe ich endlich wieder Asphalt unter den Füßen. Das schwerste war nun wohl geschafft. Da ich etwas Zeit habe, beschließe ich in Richtung Garm zu radeln. Nun komme ich natürlich gut voran. Es ist ein tolles Gefühl auf diesem glatten Belag zu rollen. Ich besuche in Garm einen Bazar. Ich hatte mir überlegt mal eine Suppe zu kochen und besorge mir die Zutaten. Da ich nicht viel brauche, sind die Mengen klein. So wollen die Händler für 2 Kartoffeln und 2 Karotten kein Geld. Sie begründen es mit dem Ramadan, der heute begonnen hat Da ich wieder ein Stück ohne Socken geradelt bin, habe ich mir die Füße etwas in der Sonne verbrannt. Zum Glück war es nicht ganz so schlimm. Vor 14 Jahren in Italien hatte ich an der Stelle schon mal einen fiesen Sonnenbrand, so dass mir damals der halbe Urlaub verhagelt wurde, weil ich nicht Fahrrad fahren konnte. Auf dem Rückweg mache ich eine schöne Melonenpause in einem kleinen Restaurant. Der Besitzer zeigt mir dabei gleich mal, wie man so eine Melone richtig aufschneidet. Ich gebe ihm derweil meine Kamera. Total fasziniert schaut er sich die Fotos an. Gegen Ende des Tages zieht ein Unwetter auf. Ein Platz zum Zelten ist schnell gefunden und bietet mir erst einmal Schutz vor der dann doch nur kleinen Husche. Ich habe dann noch genug Zeit, für meine Suppe, die leicht versalzen daherkam. Einen Regenbogen gab es gratis. Übrigens, am Checkpoint heute schaute der Militärposten in meinen Pass und fragt: „Ukraine?“ Und so spielte die Weltpolitik auch an diesem verlassenen Fleckchen Erde eine Rolle.
Tag 27, 29.6., 64 km
Am Anfang rolle ich wieder über tolle Straßen und denke mir, dass es wohl so bleiben wird bis Duschanbe. Weit gefehlt. Es kommen noch einmal richtig heftige Pistenabschnitte mit satten Steigungen. Die Temperaturen bewegen sich nun in der Spitze deutlich über 30 Grad im Schatten, den es aber eigentlich gar nicht gibt. Auch Staub gibt es jede Menge gratis, da nun viel mehr Autos als noch vor ein paar Tagen auf der Strecke sind. Ein paar Kids bieten da einen tollen Service mit einem Hochdruckreiniger an. Da bin ich doch heute gerne Kunde. Zu guter letzt steht dann der letzte Pass meiner Reise noch an. Auf über 20 km geht es nur bergauf. Die Straße ist aber zum Glück nun asphaltiert. Zwischendurch gönne ich mir noch eine Melonensiesta. Als dann oben bin, werde ich von einem älteren Mann mit Tee gelockt. Der Sohn spricht und lehrt Englisch. Trotz Ramadan kann ich hier am helllichten Tag Essen und Trinken. Ich werde auch zum Übernachten eingeladen und nehme das gerne an. Muzafar, der Name des Sohnes, läuft auf Krücken. Beim Hausbau ist er gestürzt und kann froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Er träumt davon, nach Litauen zu reisen. Dort will er einen Opel für wenig Geld kaufen und ihn dann hier wieder teuerer verkaufen. Er rechnet es mir genau vor. Aber eigentlich scheint es der gesamten Familie nicht so schlecht zu gehen. Sie haben ein großes Grundstück mit mehreren Häusern. Im Garten grasen ein paar Rinder. Die Kuhfladen liegen zum Trocknen in der Sonne. Damit wird dann im Winter geheizt. Muzafar erzählt mir viel zum Ramadan. Damit hatte ich mich noch nie beschäftigt. Mit Sonnenuntergang gibt es dann für alle noch mal Essen. Die Nacht verbringe ich auf der Couch vor dem Zimmer des Großvaters.
Tag 28, 30.6., 110 km
Die Nacht war nicht wie jede andere. Um ca. 2.30 Uhr wird der Großvater der von der Frau von Muzafar geweckt und ihm das Frühstück gebracht. Nun hat er bis Sonnenaufgang noch genug Zeit zum Essen und Beten. Ich werde erst viele Stunden später frühstücken. Am Morgen ist es schon sehr heiß. Nach einer herzlichen Verabschiedung, gibt es für mich das letzte Teilstück meiner Reise. Und es wird einer der Einfachsten. Vom Start weg geht es fast nur bergab. Schon nach wenigen Stunden bin ich kurz vor Duschanbe. Um 11 Uhr wird erst mal eine ganze Melone gekillt. Dann bin ich in der Hauptstadt von Tadschikistan. Der Verkehr ist viel entspannter als in Kirgisistans großen Städten. In der Sonne zeigt mein Thermometer bis zu 48 Grad an. Es ist der heißeste Tag überhaupt in meinem Leben. Am Nachmittag suche ich mir ein Hotel. Ich vergleiche ein paar Preise und nehme dann eins für 45 $ die Nacht. Dann schaue ich mich noch etwas in der Stadt um. Ich besuche auch einen Burgerladen. Als ich etwas zu Essen bestelle, werde ich auch von Kopftuch tragenden Köchinnen gemustert. Viel Kundschaft haben sie hier tagsüber im Ramadan nicht. Nachts schaue ich dann mein erstes WM-Spiel: Deutschland-Algerien.
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